Operetten-Lexikon

Der Obersteiger

Operette in 3 Akten
Musik von Carl Adam Zeller
Text von Moritz West und Ludwig Held
Uraufführung: 5. Jänner 1894 im Theater an der Wien (Österreich)

Am 14. Dezember 1893 schreibt in Wien Johann Strauss an seinen jüngeren Bruder Eduard Strauss folgende Zeilen. Gäbe Gott, dass die Zeller'sche Operette durchgreift – dann werde ich einer grossen Plage enthoben sein – denn um die Operette (gemeint ist "Jabuka") heuer noch fertig zu kriegen, hätte ich noch eine Riesenarbeit zu bewältigen. Drei Jahre nach "Der Vogelhändler" kommt nun also das nächste Bühnenstück von Carl Zeller im Theater an der Wien heraus. Auch diesmal verfassen die bewährten Librettisten Zellers das Textbuch, Moritz West und Ludwig Held. "Der Obersteiger" wird am 5. Jänner 1894 im Theater an der Wien uraufgeführt. Alexander Girardi spielt wieder die Hauptrolle, den Obersteiger Martin. Aber auch Jenny Pohlner als Komtesse, Therese Biedermann als Nelly und Karl Streitmann als Fürst Roderich tragen zum Erfolg dieser Operette bei. Regie und Inszenierung liegen wieder in den bewährten Händen des Franz Jauner. Es werden vom 5. Jänner bis zum 7. März 1894 ohne Unterbrechung 61 Vorstellungen gespielt. Am 31. Oktober 1895 findet die 100. Vorstellung statt. Insgesamt werden am Theater an der Wien 119 Aufführungen gespielt. Bis zum Jahresende 1894 wird "Der Obersteiger" in Berlin (Theater unter den Linden), München, Frankfurt am Main, Leipzig, Dresden, Prag, Graz, Brünn und Hamburg mit ausserordentlichem Erfolg aufgeführt.

Mit seinem erfolgreichen Vorgänger "Der Vogelhändler" hat "Der Obersteiger" sehr viele Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten und ist eine typische "Nachfolge-Operette". Die volkstümlichen Charaktere, der Szenenablauf und die musikalischen Einfälle des Obersteigers können ihn nicht als "Zwilling" des Vogelhändlers verleugnen. Dass diese Parallelen vom Komponisten und seinen Textdichtern wahrscheinlich bewusst beabsichtigt sind, lässt sich ebenfalls nicht widerlegen. Das die neue Operette bei Publikum, Presse und Kritik Gefallen findet, liegt am gut gearbeiteten Textbuch und an Zellers musikalischen Glanzstücken, wie "Sei nicht bös'", "Der Bürokrat" und vielen weiteren ins Ohr gehenden Melodien. Auf Dauer kann "Der Obersteiger" jedoch mit dem Erfolg von "Der Vogelhändler" nicht Schritt halten und heute wird diese Operette nur mehr sehr selten gespielt.

Rollen und Uraufführungsbesetzung

Martin, Obersteiger (Tenor buffo) … Alexander Girardi
Nelly, Spitzenklöpplerin (Soubrette) ... Therese Biedermann
Comtesse Fichtenau (Sopran) ... Jenny Pohlner
Fürst Roderich, Majoratsherr (Tenor) ... Karl Streitmann
Bergdirektor Zwack (Tenor) ... Karl Lindau
Elfriede, dessen Frau (Alt) ... Lori Stubel
Strobl, Wirt (Bariton) ... Theodor Woller
Tschida, Salinenadjunct … Karl Wallner
Dusel, Materialverwalter ... Eduard Lunzer
Babette, dessen Stubenmädchen ... Fr. Stadler
Kilian, Bergknappe ... Gustav Kaitan
Einöder, Bergknappe ... Hr. Riederer
Nepomuk, Bergknappe ... Hans Holm
Engelbert, Bergknappe ... Hr. Rosenberg
Gottfried, Bergknappe ... Hr. Barta
Knill, Bergknappe ... Leo Hellwig
Haderlin, Bergknappe ... Nikolaus Holzgärtner
Hulek, Bergknappe ... Hr. Demmer
Ensler, Bergknappe ... Hr. Wallenstein
Amsel, Bergknappe ... Hr. Lachner
Ernestine, Spitzenklöpplerin ...Johanna Branche
Franziska, Spitzenklöpplerin ... Bertha Lenoir
Leonora, Spitzenklöpplerin ... Frl. Bernard
Emma, Spitzenklöpplerin ... Frl. Kuschofsky
Kunigunde, Spitzenklöpplerin ... Frl. Löw
Pauline, Spitzenklöpplerin ... Frl. Rosenberg
Johanna, Spitzenklöpplerin ... Frl. Bichler
Cölestine, Spitzenklöpplerin ... Frl. Felix
Sophie, Spitzenklöpplerin ... Frl. Meinau
Josephine, Spitzenklöpplerin ... Frl. Lay

Bergknappen, Bürger, Festgäste, Bergeleven

Handlung

1. Akt: In einem Bergstädtchen, in der ersten Hälfte des 18. Jhdt.
Der Bergwerksdirektor Zwack hatte vor Jahren ein Verhältnis intimer Art. Nun erfährt er durch Zufall, dass daraus ein Mädchen namens Julie Fahnenschwinger geboren wurde, von dessen weiterem Schicksal nichts bekannt ist. Zwack ist inzwischen zwar verheiratet, doch schwärmt er jetzt für die Spitzenklöpplerin Nelly, die aber den Obersteiger Martin liebt. Unter Martins Führung streiken die Bergleute gerade. Sie werden dabei von einem Volontär mit Geld unterstützt. Hinter diesem verbirgt sich aber Fürst Roderich, der die Verhältnisse in seinem Bergwerk kennen lernen will. Martin vertraut dem Volontär an, dass er eine neue Silberader entdeckt habe. Er wolle aber die ergiebige Lagerstätte nicht verraten, bevor er nicht 3000 Gulden bekommen habe. Daraufhin entlässt Direktor Zwack den Obersteiger. Auch die Comtesse Fichtenau befindet sich als Touristin unerkannt im Ort. Sie nimmt bei der Spitzenklöpplerin Nelly Quartier und gibt sich als deren Kusine Julie Fahnenschwinger aus. Martin trifft mit der Comtesse zusammen und verliebt sich in sie. Weil er sich aber nicht näher an sie heranwagt, bittet er den Volontär, mit ihr zu sprechen. Roderich, der auch nicht weiß, dass Julie in Wirklichkeit eine Comtesse ist, verliebt sich ebenfalls in sie. Martin, der von Roderich die 3000 Gulden endlich erhalten hat, soll ihn nun zur neuentdeckten Silberader in den Bergwerksstollen führen. Fürst Roderich und Direktor Zwack, denen anfangs noch der Mut zur Einfahrt fehlt, besichtigen auf gutes Zureden von Nelly und Julie doch noch das Bergwerk.

2. Akt: In der Hauptstadt
Der Bergwerksdirektor Zwack soll bei einem großen Fest eine Rede halten. Die beiden Bergwerksbeamten Tschida und Dusel haben sich gegen den Direktor verschworen und veranlassen Martin, das Redemanuskript des Direktors verschwinden zu lassen. Martin hat sein ganzes Geld verspielt und ist nun Chef der Bergmannskapelle. Er macht der Direktors-gattin Elfriede den Hof und hat bei ihr auch bald Erfolg. Auf Einladung von Roderich erscheinen auch Nelly und die Comtesse zum Fest. Fürst Roderich ahnt nämlich, wer Julie Fahnenschwinger in Wahrheit sein könnte. Als Martin mit seiner Kapelle auftritt, hält er die Comtesse wegen ihrer vornehmen Kleidung für eine Betrügerin und behauptet, dass diese elegante Dame eigentlich Julie Fahnenschwinger sei. Zwack glaubt nun, sie sei seine außer-eheliche Tochter und es kommt daher zu lächerlichen Verwicklungen.

3. Akt: Vor dem Waldschloss der Komtesse
Der kompromittierte Direktor Zwack ist entlassen worden. Seine Gattin Elfriede hat sich von ihm scheiden lassen. Zwack bemüht sich wieder, aber auch diesmal zwecklos, um Nelly. Frau Elfriede wiederum zeigt an Martin Interesse, der wirtschaftlich nun schon ganz heruntergekommen ist. Für die alte Dame kann er sich aber trotzdem nicht entschließen. Fürst Roderich hat den Weg zum Herzen der Comtesse gefunden und sich mit ihr verlobt. Da nun alles gut enden muss, bekommt der Obersteiger Martin zum Schluss eine neue Stelle und findet zu seiner ersten Liebe Nelly zurück.

Musiknummern

Praeludium (Orchester)

1. Akt
Nr. 1. Introduction
          a) Chor ("Hört endlich auf" und "Wir haben eine Bahn")
          b) Strobel ("Ah, das ist mir noch niemals passiert")
          c) Zwack ("Als mich dieser Bummelzug")
Nr. 2. Entree Nellys ("Bin schon da!" und "Muster wie meine, so hübsche, so feine")
Nr. 3. Entree Martins ("So sollt' man leben das ganze Jahr")
Nr. 4. Entree der Comtesse ("Ja, dort in den Bergen drin")
Nr. 5. Terzett von Comtesse, Roderich und Martin ("Er ist so just im Schwunge" und
        "Man kann nicht immer, wie man will")
Nr. 6. Finale
          a) Martin und Chor ("Halloh, Halloh!" und "Zur Arbeit ruft der Glocke Schall")
          b) Ensemble ("Geht doch hinein")
          c) Ensemble und Chor ("Glück auf und geh'n wir's an")

Zwischenakt (Orchester)

2. Akt
Nr. 7. Introduction, Chor ("Ergebenster Diener")
Nr. 8. Couplets des Zwack ("Der Forstrat fährt auf Kommission" und "Der Bürokrat tut seine Pflicht")
Nr. 9. Duett von Martin und Elfriede ("Schöne Frau" und "Aber geh'n Sie")
Nr. 10. Duett von Comtesse und Roderich ("Ich wollte, dass mein Gatte wär" und
          "Mag mein Schatz wie immer sein")
Nr. 11. Terzettino von Comtesse, Nelly und Elfriede ("Ein Ball ist so zu sagen")
Nr. 12. Finale
          a) Chor der Ballgäste ("Traue nie dem blossen Schein" und "O wie herrlich")
          b) Martin ("Ein einfach Dorfgeschicht'chen" und "Sei nicht bös'")

Zwischenakt (Orchester)

3. Akt
Nr. 13. Duett von Roderich und Comtesse ("Mädchen erwach', der Tag bricht an" und "Hörst du den Wald")
Nr. 14. Couplets des Martin ("Der alte Bergmann träumt davon" und "Es war einmal in Asien drin")
Nr. 15. Finale, Martin und Chor ("Glück auf, Glück auf!")

Digitalisiertes Material

Wienbibliothek digital: Textbuch (Kurrentschrift, 1894)

Internet Archives - BYU Brussels Opera and Ballet: Texte der Gesänge (Druck, 1894)

Internet Archives - Thomas Fisher Libretti Collection: Texte der Gesänge (Italienisch, Druck, 1894)

IMSLP - Petrucci-Musikbibliothek: Klavierauszug mit Text (Druck, 1894)