Operetten-Lexikon

Fatinitza

Komische Oper in 3 Akten
Musik von Franz von Suppè
Text von Camillo Walzel und Richard Genée
Uraufführung: 5. Jänner 1876 im Carltheater in Wien (Österreich)

Das Textbuch zu "Fatinitza" erhielt Franz von Suppè am Ende einer Schaffenskrise und das auch nur deshalb, weil Johann Strauss es mit der Begründung abgelehnt hatte, der Originalstoff sei aus dem Französischen genommen worden und gerade diese Tatsache habe bereits bei der Operette "Die Fledermaus" zu urheberrechtlichen Problemen geführt. Dies gab Suppè Gelegenheit zu einem glänzenden Comeback.
Bis zum I. Weltkrieg ist "Fatinitza" eine der erfolgreichsten Operetten. Mit etwa 1200 Aufführungen allein auf deutschsprachigen Bühnen liegt das Werk an Aufführungszahlen zwischen "Die schöne Helena" und "Der Mikado". Doch eine der herausragenden Eigentümlichkeit dieser Operette, die Hosenrolle für eine Sängerin, die einen Mann spielt, der wiederum eine Frau spielt, lässt das Werk in neuerer Zeit völlig in Vergessenheit geraten. Bekannt geblieben ist bis heute fast nichts, außer dem Fatinitza-Marsch. Darüber hinaus aber kann Fatinitza mit schönen Arien, opernhaften Ensembles und Finali, eingängigen Walzern, Märschen und Couplets aufwarten und zählt zu den Meisterwerken Suppès.

Rollen

General Timofey Kantschukoff (Bass)
Fürstin Lydia Uschakoff, seine Nichte (Sopran)
Steipann, Sergeant (Bariton)
Wladimir Samoiloff, Leutnant (Mezzosopran)
Julian von Golz, deutscher Kriegsberichterstatter (Tenorbuffo)
Izzet Pascha, türkischer Gouverneur (Tenor)
Nursida, Haremsdame (Sopran)
Zuleika, Haremsdame (Mezzosopran)
Diona, Haremsdame (Sopran)
Besika, Haremsdame (Alt)
Mustapha, Haremswächter

Russische und türkische Soldaten, Kosaken, Baschi-Bozuks, Haremsfrauen, Dienerschaft

Handlung

1. Akt: In einem russischen Lager bei Isaktscha, am Ufer des Donaudeltas, gegenüber einer türkischen Festung, während des Krimkrieges
Es ist strenger Winter und die Donau ist zugefroren. Die Soldaten langweilen sich im Lager, die Feinde stehen sich unbeweglich gegenüber, es ist nichts los. Leutnant Wladimir erzählt ein pikantes Erlebnis. Als Tscherkessin Fatinitza verkleidet hatte er einst eine verheiratete Dame besucht und in dieser Verkleidung mit deren Schwager, einem hohen Offizier, eine weitere Eroberung gemacht. Nur mit Mühe konnte er dessen Nachstellungen entkommen. Es war derselbe Offizier, dessen Nichte Lydia Wladimir später umworben hatte. Um von der Nichte fern gehalten zu werden, wurde Wladimir hierher strafversetzt. Der Kriegsberichterstatter Julian kommt auf die Idee, im Kampf gegen die Langeweile ein Theaterstück aufzuführen. Mangels Frauen soll sich Wladimir wieder als solche verkleiden.
Da kommt unangemeldet der General Kantschukoff zur Inspektion in das Lager und will fuchsteufelswild alle und jeden wegen der unkriegerischen Zustände im Lager bestrafen. Als er jedoch den als Frau verkleideten Wladimir entdeckt, schmilzt er dahin. Er ist der Offizier, der sich damals unsterblich in Fatinitza verliebt hatte, und Wladimir/Fatinitza kann ihn auch jetzt wieder um den Finger wickeln. Der General schenkt "ihr" sogar einen Ring und betrachtet sich fortan als mit "ihr" verlobt. Kaum ist die eine peinliche Situation ausgestanden, kündigt sich schon die nächste an. Die Nichte Lydia fährt mit einem Schlittengespann vor und will angeblich bei den Heldentaten ihres Onkels dabei sein, in Wirklichkeit ist sie ihrem strafversetzten Verehrer nachgefahren. Da Lydia die Ähnlichkeit Fatinitzas mit Wladmir sofort auffallen muss, gibt sich Wladimir auf Anraten Julians als Schwester seines angeblich gefangen genommen Ichs aus. Kantschukoff muss nun seine Nichte irgendwo sicher unterbringen. Als einziges festes Gebäude bietet sich ein nahes Kloster an, in welchem sie zusammen mit Fatinitza die Nacht verbringen soll. Zu dieser kommt es aber nicht, weil gleich darauf die Türken die Donau überqueren und die beiden Frauen für den Harem des Izzet Pascha rauben.

2. Akt: Im Harem des Izzet Pascha
Die Haremsdamen reagieren empört, als ihnen ihr Gebieter weiteren Zuwachs für den Harem ankündigt, dazu auch noch Christinnen. Als Reformtürke, wie Izzet Pascha sich immer bezeichne, wolle er doch die Vielweiberei abschaffen. Als die beiden Gefangenen, Lydia und Wladimir hereingebracht werden, erklärt er aber sofort Lydia zu seiner Lieblingsfrau.
Lydia muss sich also haremsmäßig umkleiden und Fatinitza soll ihr dabei helfen. Es entsteht eine hochpeinliche Situation und Wladimir/Fatinitza stellt sich völlig ungeschickt an. Er gesteht Lydia, zunächst noch im Auftrag seines angeblichen Bruders, dessen Liebe zu ihr um dann ganz am Schluss doch noch zuzugeben, dass dieser "Bruder" er selbst ist. Lydia verzeiht ihm seine Maskerade, lässt ihn hoffen, verspricht ihm aber noch nicht zu viel.
Da stürmen die anderen Haremsdamen herein und wollen die beiden Konkurrentinnen töten. Wladimir kann sie aber durch das Angebot einer hohen Geldsumme dazu überreden, ihnen bei der Flucht behilflich zu sein. Als er den Haremsdamen gar seine wahre Identität preisgeben will, wollen sie ihm nicht glauben, dass er ein Mann sei, so perfekt ist seine Verkleidung. Letztendlich bietet er den Beweis durch einen Kuss an, hier schreitet aber Lydia eifersüchtig ein und gibt damit einen weiteren Beweis ihrer Zuneigung.
Julian erscheint als Parlamentär, um die Auslösebedingungen für die beiden Gefangenen auszuhandeln. Sein Begleiter, der Sergeant, kann Wladimir sogar heimlich dessen Uniform zustecken. Der Pascha will nur über Fatinitza verhandeln, Lydia will er unbedingt behalten. Ansonsten ist er dem Reporter gegenüber so aufgeschlossen, dass er ihm sogar seinen Harem zeigt. Dabei erklärt er dem Reporter, wie und wodurch er welche Haremsdame erwerben konnte und lässt zu guter Letzt sogar zu, dass die Damen sich entschleiern. Julian ist entzückt und der Pascha lädt die Gesandtschaft zum abendlichen türkischen Schattenspiel ein. Als dessen Handlung den hochdramatischen Höhepunkt erreicht hat, brechen die Russen, angeführt vom General Kantschukoff von hinten durch die Leinwand. Die Festung ist gestürmt, aber zum Leidwesen des Generals ist Fatinitza nicht aufzufinden. Julian gibt vor, sie sei entführt worden. Zur Strafe nimmt der General dem Pascha seine Haremsdamen weg, die sich darüber auch noch freuen.

3. Akt: Im Palais des Generals Kantschukoff in Odessa.
Glockenklänge künden vom Frieden, aber Lydia sorgt sich um den verschollenen Wladimir. Julian bringt die frohe Botschaft, dass Wladimir am Leben und ganz in der Nähe sei. Von Lydia erfährt er, dass sie von ihrem Onkel mit dem alten Fürsten Swertikoff verheiratet werden soll. Als er auf den General trifft, erklärt ihm dieser, warum er es so eilig hat, Lydia zu verheiraten. Er selbst hatte 100.000 Silberrubel auf das Auffinden von Fatinitza ausgesetzt. Nun habe sie ein bulgarischer Spion gefunden und heute noch solle sie sein werden. Bald soll Fatinitza mit einem Schiff aus Konstantinopel hier eintreffen.
Endlich kommt Wladimir und trifft zunächst mit Lydia zusammen. Unter Zeitdruck können sich die zwei Verliebten nochmals gegenseitig ihrer Liebe versichern. Dann trifft Wladimir erstmals als Mann auf den General. Nach anfänglicher Irritation wegen der Ähnlichkeit mit Fatinitza bietet der General dem Leutnant eine Adjudantenstelle bei ihm an, befördert ihn zum Major und bittet ihn förmlich um die Hand seiner Schwester. Wladimir teilt ihm aber mit, Fatinitza sei schon verlobt. Jetzt kann er einen Deal aushandeln. Sein Jawort gegen das Jawort des Generals für Lydia. Der General gibt nach und drängt jetzt sogar darauf, dass die Hochzeit Lydias mit Wladimir sofort stattfinden muss, noch bevor Fatinitza eintrifft.
Noch während der Trauung erweist sich die inzwischen eingetroffene Fatinitza als dunkelhäutige Afrikanerin gleichen Namens. Julian löst die Geschichte dahingehend, dass er einen Brief der "echten" Fatinitza vorliest, in welchem diese dem General mitteilt, sie sei aus unerfüllter Liebe zu ihm aus dem Leben geschieden, sie gebe hiermit ihren Verlobungsring zurück. Der untröstliche General ist tief gerührt. Nach dieser, für Wladimir und Lydia glücken Wende schließt der General die Neuvermählten an sein Herz zum "glücklichen Ende".

Musiknummern

"Vorwärts mit frischem Mut" (Fatinitza-Marsch)